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Der goldene Ball: Eine Geschichte vom Geben – ohne Zurückgeben

  • Beitrag zuletzt geändert am:27. März 2025
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Kennst du dieses Gefühl, jemandem etwas schuldig zu sein – vielleicht deiner Familie, deinen Eltern, weil du ihre Erwartungen nicht erfüllt hast oder das Gefühl hast, nie genug zurückzugeben? Vielleicht geht es dir mit deinen Eltern so. Oder mit deinem Partner. Vielleicht auch mit deinen Kindern – oder mit Menschen, die dir in schweren Zeiten zur Seite standen. Und oft bleibt da dieser Gedanke: Ich müsste doch irgendwie etwas zurückgeben.

Der goldene Ball

Ich habe über dieses Thema schon viele Male gesprochen – mit meiner Tante, mit meinen Kindern, mit mir selbst. Und irgendwann stieß ich auf ein Gedicht von Börries von Münchhausen: Der goldene Ball.

👉 Lies das Gedicht hier im Blog: Geben und Nehmen – Der goldene Ball.

Darin geht es darum, wie Liebe von Generation zu Generation weitergegeben wird – nicht als Schuld, nicht als Verpflichtung, sondern als Geste. Der goldene Ball wird nicht zurückgespielt, sondern weitergereicht. Mit einem Lächeln, in Vertrauen, ganz selbstverständlich.

Und plötzlich habe ich verstanden, dass genau das der Punkt ist:
Nicht zurück – sondern weiter.

Was, wenn wir gar nichts zurückgeben können?

Vor allem in Familienbeziehungen ist dieser Gedanke tief verwurzelt. Eltern geben. Kinder nehmen. Und irgendwann, so glauben wir, müssten wir das alles irgendwie ausgleichen. Mit Dankbarkeit, mit Fürsorge, mit Rücksicht. Doch das kann zu einem inneren Druck werden, der sich schwer anfühlt – besonders dann, wenn man spürt, dass man diesem „Zurückgeben“ nie gerecht werden kann.

  • „Du kannst doch nicht alles nehmen und nichts zurückgeben. Sei doch nicht so egoistisch!“
  • „Sei wenigstens dankbar.“
  • „Was ich alles für dich getan habe…“

Ich weiß, wie belastend solche (oft unausgesprochenen) Erwartungen sein können. Wie sie Schuldgefühle nähren, uns klein machen, uns lähmen. Und oft merken wir erst viel zu spät, wie sehr uns dieser innere Druck davon abhält, einfach zu sein.
So, wie wir sind.

Vielleicht ist es an der Zeit, uns zu erlauben, den goldenen Ball nicht zurückzuspielen – sondern einfach weiterzugeben, wenn der Moment stimmt.
Und wenn er nie kommt, ist das auch in Ordnung.

Ein Brief an meine Kinder – und vielleicht auch an dich

Ihr habt einmal gesagt, dass ihr euch schlecht fühlt, weil ich euch so viel gebe, und ihr mir nichts zurückgeben könnt.

Ich möchte euch sagen: Ihr müsst das auch nicht.

Ich gebe euch meine Liebe, meine Zeit, meine Erfahrung, weil ich das von Herzen möchte. Nicht, weil ich etwas zurückerwarte.

Ihr dürft den goldenen Ball annehmen – einfach so. Und wenn ihr irgendwann das Gefühl habt, ihn weiterzugeben, an Menschen, die euch wichtig sind, dann tut ihr das in eurem Tempo und auf eure Weise.

Aber selbst wenn dieser Moment nie kommt, ist das in Ordnung.
Denn ich weiß, dass ihr ihn nie habt fallen lassen. Und das ist genug.

Weiblichkeit bedeutet empfangen – und das dürfen wir wieder lernen

Gerade Frauen mit Lipödem spüren oft, wie tief diese Muster wirken – zwischen alten Rollenbildern, unterdrückten Bedürfnissen und der Sehnsucht nach emotionaler Heilung und Selbstfürsorge.

Für viele Frauen – besonders mit Lipödem – ist das Thema „Empfangen“ eng mit Schmerz, Unsicherheit oder alten Erfahrungen verbunden. Nicht nur der Körper fühlt sich oft zu viel an. Auch die eigenen Bedürfnisse. Die Sehnsucht nach Nähe. Die leise Stimme, die sagt: „Ich wünsche mir etwas – einfach nur für mich.“

Doch wie oft haben wir gelernt, dass wir uns diese Wünsche nicht erlauben dürfen?
Dass wir lieber stark sein sollten, unabhängig, funktionierend?
Dass Empfangen gleichgesetzt wird mit Schwäche oder gar mit Egoismus?

Dabei ist Empfangen ein zutiefst weiblicher Akt.
Es bedeutet nicht, passiv zu sein – sondern offen.
Es bedeutet, sich zu erlauben, Raum einzunehmen, gesehen zu werden, berührt zu sein.
Und es beginnt genau dort, wo wir uns selbst erlauben, nicht zurückgeben zu müssen.
Sondern einfach anzunehmen – mit offenem Herzen.

Was passiert, wenn der goldene Ball an die Welt weitergegeben wird?

Im Gedicht geht es um den Fluss von Liebe innerhalb der Familie. Doch was passiert, wenn du deinen goldenen Ball nicht nur innerhalb der Familie, sondern nach außen gibst – an Menschen, die du nicht kennst?

Ich kenne dieses Gefühl gut.
Ich schreibe seit vielen Jahren. Ich teile Gedanken, Erfahrungen, Erkenntnisse – in der Hoffnung, dass sie vielleicht jemanden berühren. Und oft ist das auch so. Aber manchmal bleibt es still.
Keine Reaktion. Kein Kommentar. Kein Echo.

Es gab eine Zeit, in der ich daran fast zerbrochen wäre.
Nicht, weil ich Lob gebraucht hätte – sondern weil das ständige Geben ohne Rückfluss irgendwann müde macht.
Damals habe ich aufgehört zu schreiben. Ich war leer.

Heute schreibe ich wieder – nicht, weil sich im Außen so viel verändert hätte, sondern weil ich innerlich eine neue Haltung gefunden habe.
Ich schreibe nicht mehr, um zu geben.
Ich schreibe, weil es mir selbst guttut.

Alte Glaubenssätze, Schuldgefühle und das verletzte innere Kind

Vielleicht kennst du ihn auch – diesen Satz, der so vertraut klingt, dass man ihn kaum hinterfragt:
„Geben ist seliger als Nehmen.“

Er wirkt auf den ersten Blick wie etwas Schönes. Großzügiges. Fast schon Ehrenwertes.
Aber tief in uns kann er eine Überzeugung formen, die sich durch unser ganzes Leben zieht – oft still, kaum greifbar, aber unglaublich machtvoll.
Denn wer geben will, um „selig“ zu sein, darf nicht einfach nehmen.
Und wer doch etwas braucht, fühlt sich dabei schnell schwach.
Und manchmal sogar falsch.

Dieser Satz hat mich mein halbes Leben begleitet.

Warum wir so selten um Hilfe bitten

Er hat mich geprägt, ohne dass ich es bewusst gemerkt habe.
Ich habe mich oft geschämt, wenn ich etwas gebraucht hätte. Ich habe selten um Hilfe gebeten – selbst dann nicht, wenn ich sie dringend gebraucht hätte.
Ich wollte stark sein. Unabhängig. Genug mit mir selbst.

Aber in Wahrheit war da eine tiefe Sehnsucht, einfach mal gehalten zu werden.
Etwas empfangen zu dürfen, ohne mich dabei schlecht zu fühlen.
Ohne mich erklären zu müssen.
Ohne ein inneres „Ich darf das nicht“.

Heute weiß ich:
Empfangen ist kein Mangel. Es ist kein Egoismus. Und es ist auch kein Versagen.
Es ist eine Bewegung auf Augenhöhe. Eine Verbindung. Eine Rückverbindung zu dem Teil in uns, der schon so lange gewartet hat, gesehen zu werden. Notwendig, um unser inneres Kind heilen zu können.

Wenn das Energielevel kippt

Geben ist schön – solange die Energie zirkuliert.
Doch wenn sie nicht mehr zurückfließt, wenn wir nur noch senden, aber nie empfangen, dann entsteht ein Ungleichgewicht, das uns auf Dauer erschöpfen kann.

Dann braucht es einen Moment der Ehrlichkeit – uns selbst gegenüber.
Dann dürfen wir uns fragen: Wo gebe ich zu viel? Wo bleibe ich selbst auf der Strecke? Wo darf ich lernen, eine Grenze zu setzen – nicht aus Härte, sondern aus Selbstfürsorge?

Wenn emotionale Leere zu Hunger wird

Manchmal zeigt sich das Ungleichgewicht von Geben und Nehmen nicht nur im Gefühl – sondern auch im Körper.
Wir greifen zu Essen, wenn wir eigentlich Nähe bräuchten.
Wir füllen die innere Leere mit etwas Greifbarem, weil es uns tröstet – wenigstens für einen Moment.

Emotionales Essen ist oft ein stiller Versuch, das wieder auszugleichen, was in uns fehlt: Verbindung. Sicherheit. Anerkennung.
Doch was wir wirklich brauchen, ist nicht Kontrolle über Essen – sondern mehr Mitgefühl für uns selbst.

Grenzen setzen ist kein Egoismus – es ist Selbstfürsorge

Du darfst wählen, wohin du deine Kraft fließen lässt. Du darfst Grenzen setzen.
Du darfst entscheiden, wer deinen goldenen Ball empfangen darf – und wo du ihn bei dir behältst.
Nicht, weil du dich verschließt. Sondern, weil du lernst, dich selbst ernst zu nehmen.

Und vielleicht ist genau das der Moment, in dem der goldene Ball eine neue Richtung nimmt – nicht nach außen, sondern zurück zu dir.

Reflexionsfragen für dich

  • Wo gibst du gerade viel – und bekommst wenig zurück?
  • Gibt es einen Bereich, in dem du dich innerlich erschöpft fühlst?
  • Welche alten Überzeugungen zum Thema Geben und Nehmen trägst du noch in dir?
  • Wie fühlt es sich für dich an, einfach zu empfangen – ohne Gegenleistung?
  • Wo wünschst du dir mehr Balance – und welche Grenze darfst du liebevoll ziehen?

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Du musst das nicht alleine machen

Vielleicht darfst du heute den goldenen Ball bei dir behalten – und lernen, dich selbst mit Mitgefühl zu sehen. Hilfe annehmen lernen, empfangen lernen, Selbstfürsorge ohne schlechtes Gewissen. Das ist keine Schwäche. Es ist deine emotionale Freiheit, dein Weg für emotionale Heilung.

Wenn du magst, darfst du dir Unterstützung holen – gern auch bei mir – beim Loslassen alter Schuldgefühle, Grenzen setzen, beim sanften Zurückfinden zu dir.
Du musst das nicht alleine machen.

Alles Liebe, Karen

PS:
Dieser Artikel ist nicht nur für dich.
Er ist auch ein Stück emotionale Heilung für mich.
Danke, dass du ihn gelesen hast. 💜

FAQ – Häufige Fragen

Was bedeutet der goldene Ball?

Der goldene Ball steht symbolisch für das, was wir aus Liebe weitergeben – ohne Bedingung, ohne Erwartung. Es geht darum, Fürsorge, Vertrauen und innere Werte weiterzureichen, nicht zurückzufordern. Dieser Gedanke bringt Frieden in Beziehungen und löst den Druck, etwas „zurückgeben zu müssen“.

Wie gehe ich mit Schuldgefühlen um, wenn ich nichts zurückgeben kann?

Schuldgefühle entstehen oft aus alten Glaubensmustern. Wenn du erkennst, dass dein Wert nicht vom Ausgleich abhängt, kannst du loslassen. Du darfst empfangen, einfach weil du bist – ohne dich erklären oder rechtfertigen zu müssen.

Was hat Weiblichkeit mit Empfangen zu tun?

Weiblichkeit bedeutet nicht Schwäche, sondern Hingabe und Empfänglichkeit. Sie zeigt sich darin, dass du annimmst – Liebe, Hilfe, Nähe – ohne dich dabei schuldig zu fühlen. Empfangen ist eine Stärke, kein Mangel.

Warum erschöpft es mich, wenn ich immer nur gebe?

Weil Energie wie ein Fluss ist: Sie will sich bewegen, nicht stauen. Wenn du ständig gibst, aber kaum empfängst, gerät dein inneres System aus dem Gleichgewicht – das macht auf Dauer müde und leer.

Wie kann ich liebevoll Grenzen setzen?

Indem du deine Bedürfnisse ernst nimmst und dich selbst mit der gleichen Achtsamkeit behandelst, die du anderen schenkst. Grenzen sind kein Nein zu anderen – sie sind ein Ja zu dir selbst.

Karen Wiltner
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