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Geben und Nehmen – Der goldene Ball

Der goldene Ball

Was auch an Liebe mir vom Vater ward,
ich hab’s ihm nicht vergolten,
denn ich habe als Kind noch nicht gekannt
den Wert der Gabe und ward als Mann
dem Manne gleich und hart.
Nun wächst ein Sohn mir auf,
so heiß geliebt wie keiner,
daran ein Vaterherz gehangen,
und ich vergelte, was ich einst empfangen,
an dem, der mir’s nicht gab – und wiedergibt.
Denn wenn er Mann ist und wie Männer denkt,
wird er wie ich die eignen Wege gehen,
sehnsüchtig werde ich, doch neidlos sehen,
wenn er, was mir gebührt, dem Enkel schenkt.
Weithin im Saal der Zeiten
sieht mein Blick dem Spiel des Lebens zu,
gefasst und heiter,
den goldnen Ball wirft jeder lächelnd weiter, –
und keiner gab den goldnen Ball zurück!

Börries von Münchhausen

Über dieses Gedicht habe ich mit meiner Tante sehr oft gesprochen … und ich wiederum habe erst vor kurzem meiner großen Tochter davon erzählt…

Geben ist seliger als Nehmen, heißt es in einem Sprichwort. Es ist auch ein gutes und entlastendes Gefühl, jemandem etwas zurückgeben zu können, nachdem er uns ebenso etwas Gutes getan hat.  Doch in manchen Beziehungen ist es schwer oder gar unmöglich, diesen Ausgleich zu schaffen. So ist das beispielsweise zwischen Lehrer und Schüler. Lehrer geben ihren Schülern so viel, doch was kann ein Schüler schon zurückgeben, was tatsächlich einen Ausgleich darstellen könnte? 

Auch zwischen Eltern und Kindern ist es unmöglich, ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen herzustellen. Ein Kind wird sich sehr lange sehr schuldig fühlen, wenn es das Gefühl hat, etwas zurückgeben zu müssen, es aber nicht zu können. Noch schlimmer ist es, wenn Eltern von ihren Kindern erwarten, dass sie etwas zurückgeben. Zum Beispiel in Form von lebenslanger, ständig zu wiederholender offener Dankbarkeit. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr das verletzt, kränkt, demütigt und krank macht. 

Dabei muss das doch gar nicht sein!

Meine liebe Tochter,

wie froh bin ich, dass ich Euch beiden all das geben kann. Meine Liebe, meine Erfahrung, mein Zuhören, meine Zeit, meine Geduld, einfach alles was ich habe. Ich bin stolz darauf, dass ich Dir Dein Studium ermöglichen kann, das Du Dir so schwer erkämpft hast. So wie meine Eltern das für mich getan haben.

Und ich bin so unendlich stolz auf Euch beide. Ihr seid beide so sehr unterschiedlich, und jede für sich ein ganz besonderer und wunderbarer Mensch. Ihr seid perfekt, so wie ihr seid! ❤

Du sagtest zuletzt, Du fühlst Dich schlecht, weil ich Dir so viel gebe, und Du mir nichts zurückgeben kannst.

Schatz, das musst Du nicht. 

Ich gebe den goldenen Ball an Dich weiter, und ich möchte ihn nicht zurück haben. Ich erwarte nichts dafür.

Wenn Du einmal eine Familie hast und vielleicht sogar selbst Kinder, erinnere Dich an diesen goldenen Ball und gib ihn meinen Enkelkindern weiter. Gib ihnen alles, was Du hast, und erwarte nichts zurück. So wie ich das für Dich getan habe und weiterhin tun werde.

Und falls Dir das – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich sein sollte, dann ist das auch okay. Denn ich weiß, dass Du keine für Dich so tiefgreifende Entscheidung leichtfertig treffen wirst!

Du wirst sehen, dass ich glücklich neben Dir stehen werde. Genau in diesem Moment gibst Du mir alles zurück! Denn ich sehe den goldenen Ball in guten Händen. 

Ich liebe Euch! ❤

Alles Liebe, Deine Mama!

 

PS: Es ist alles gut so, wie es ist. Auch wenn Du noch nicht weißt, warum. 🌟

 

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Karen Wiltner
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Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. So etwas zu schreiben fällt mir selten leicht. Doch es hilft. In erster Linie mir.
    Ich freue mich immer wieder, wenn ich damit auch andere berühren, zum Nachdenken bringen, wenn ich etwas bewegen kann. In irgendeiner Form.
    Da weiß ich dann … es macht Sinn, das hier alles zu tun <3

  2. Ich habe zwar das Gedicht nicht gelesen, aber ich bin in der Therapie auch familiensystemisch unterwegs. Da gibt es eine Regel: Die Energie fließt immer von den Eltern zu den Kindern , nie umgekehrt. Wenn die Energie umgekehrt fließt, stimmt etwas im Familiensystem nicht. Das bedeutet nicht, dass man sich nicht um alte und kranke Eltern kümmert. Aber bis dahin sind sie für sich selbst verantwortlich. Sie haben ihren Job als Eltern gemacht, nämlich den Kindern laufen beibringen. Laufen müssen die Kinder alleine und da liegt die Betonung auf alleine. Also auch nicht mit den Eltern als Rucksack auf dem Buckel.

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