Auslöser von Freßattacken

Vielleicht fragst Du Dich jetzt, warum ich hier in meinem Blog, in dem es doch um gesunde Ernährung gehen soll, über Freßattacken schreiben möchte.

Das ist ganz simpel: Auch mit einer gesunden, ketogenen Ernährung ist man nicht vor ihnen sicher. Und auch eine gesunde, ketogene Ernährung schützt Dich nicht zwingend vor einer Eßstörung.

Ich kann Dir hier keine schlauen psychologischen Tipps geben, sondern nur von mir erzählen. Vielleicht erkennst Du Dich wieder? Allein das kann eine große Motivation sein. Zu wissen, dass man nicht alleine ist.

Selbstreflektion – Heraus aus dem Teufelskreis

Nachdem ich schon vorher viele Jahre immer mal wieder mit Depressionen, Burn Out, Minderwertigkeitskomplexen und gestörtem Selbstwertgefühl in psychologischer Behandlung war, fühlte ich mich einfach nur innerlich leer. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das alles mal besser werden würde. Ich hatte aufgegeben und resigniert.

Und jedes Mal, wenn ich mich schlecht fühlte, aß ich. Es war wie ein Automatismus.

Nein, eigentlich fraß ich. So viel, bis ich davon heftige Bauchschmerzen bekam und mich danach gleich noch schlechter fühlte. Aber ich fühlte etwas. Mich.

Bereits in meiner Kindheit war Essen für mich immer das Sinnbild für Geborgenheit, Zusammensein, Familie. Immer wenn sich die Familie traf, gab es etwas Besonderes zu Essen. Eine große Kaffeetafel, ein ganz besonderes Abendessen. Ging es mir schlecht, bekam ich Schokolade, oder ein schönes weißes Brötchen mit einer dicken Schicht Butter und darauf eine Schicht Zucker (das habe ich als Kind geliebt!). Fühlte ich mich überfordert, ging ich noch spät abends zum Kühlschrank und aß etwas, um überhaupt irgendwie schlafen zu können.

Etwas zu essen beruhigte mich. Ich wurde müde und konnte schlafen.

Viele Versuche habe ich unternommen, um etwas zu ändern. Hier eine Diät, da der Versuch einer Ernährungsumstellung mit Sport. Wenn es mit dem Sport mal nicht mehr so lief, war ich frustriert, habe wieder gegessen und die Ernährungsumstellung war auch im Nu dahin. Und das Schlimmste für mich: Ich wusste nicht, was mit mir los war, und warum ich verdammt noch mal nicht in der Lage war, alleine etwas daran zu ändern. Sollte ich wirklich so wenig Durchhaltevermögen haben?

Oder meine Almased-Diät. Viele Monate habe ich nur diese Shakes getrunken und damit auch viel abgenommen. Im Anschluss daran habe ich aufgehört mit Rauchen, was ja eigentlich eine super Leistung ist. Alles war wieder unsicher, die Routine war weg, ich musste mich an neue Verhaltensweisen gewöhnen. Da hab ich wieder angefangen zu essen. Und noch schlimmer: ich konnte den Erfolg, jetzt endlich rauchfrei zu sein, nicht einmal feiern und genießen.

2013 dann begann ich mit BodyChange. Ich hatte das Gefühl, das funktioniert. Low Carb, gutes Fett dazu, und etwas Sport, nicht gleich zu viel. Es war sehr lecker und ich erzielte gute Fortschritte. Aber auch da: Es gab einfach Tage, an denen habe ich gegessen. Ich wusste nicht einmal genau warum.

Jedes Mal, wenn ich anfing zu essen, fühlte ich mich ungeliebt, unvollkommen, klein un schlecht. Durch das Essen wurde dieses Gefühl durch Müdigkeit und Trägheit überlagert.

Erst im Jahre 2014 wurde mir klar, wo ich den Auslöser, den Triggerpunkt suchen musste.

In meiner Vergangenheit. Meine Eltern.

Wie durch Zufall habe ich dazu heute einen Artikel gelesen, der mich unfassbar traurig gemacht hat: Freiwillig verwaist. Da ich es nicht besser schreiben kann, zitiere ich …

Ich trauere, weil ich nie so eine Mutter hatte, wie ich sie mir vorstelle: Eine liebende, mich wohlwollend betrachtende und verantwortungsbewusste Frau, die für mich da ist, mit der ich mich austausche und die mein Leben durch ihre Persönlichkeit bereichert. Manchmal nervt, mich Dinge lehrt, mit der ich Konflikte austragen und mit der ich gemeinsam wachsen und reifen kann.
Ich würde mich gern ein wenig gestützt und beschützt fühlen. Durch eine Mutter an meiner Seite.

Ich vermisse, nie einen Vater gehabt zu haben, der sich wirklich interessierte oder verantwortlich fühlte. …
Er hätte mir Mut zugesprochen und wäre stolz auf mich gewesen.
Soweit die Phantasie.

Jedes Mal, wenn ich mich beschützt fühlen wollte, wenn einfach nur mal jemand stolz auf mich sein sollte, wenn mich einfach mal jemand in den Arm nehmen und lieben sollte … und all das doch wieder nicht geschehen ist … habe ich gegessen.

Man hat dieses Bild im Kopf, wie ein perfektes Leben auszusehen hat, und auch wie eine perfekte Frau sein muss. Eine gute Hausfrau, tolle Figur, lange Beine, lange Haare, ein bißchen intelligent, aber nicht zu sehr. Und ich bin all das nicht, noch nie gewesen.

Ich habe in meiner Kindheit nicht gelernt, dass man als Frau etwas wert ist. Dass man als Frau etwas wert sein darf.

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag.

Sich selbst kennenlernen

Kannst Du Dich selbst und Deine Eigenschaften beschreiben? Ich konnte das sehr lange nicht.

Andere waren schön, klug, witzig, ehrlich, hilfsbereit, verträumt … und ich – war einfach nur ich. Eigenschaftenlos. Ich konnte mir keine positiven Eigenschaften zuschreiben. Das musste ich erst wieder lernen.

Wenn man das jemandem erzählt – wer versteht das schon?

„Du hast doch eine Macke, Du bist so eine tolle Frau!“ – dass man selbst ein völlig verzerrtes Selbstbild hat, versteht wohl nur jemand, der ähnliches selbst erlebt hat.

Um etwas verändern zu können, musste ich das Gefühl manifestieren können, das ich hatte wenn mich wieder eine Fressattacke überkam. Mein Ziel war es, bei dem erneuten Aufflammen dieses Gefühls schon vorab reagieren zu können.

Und es funktionierte. Ich glaube, ich habe innerlich noch nie so viel mit mir selbst gestritten wie in diesen Momenten. Jedes schlechte Gefühl habe ich für mich analysiert, bewertet und mit positiven Argumenten belegt.

Ich habe meine Umwelt beobachtet, und was ich so an „unperfekten“ Menschen bewundere.

Es gibt dicke Menschen, die haben ein absolut bezauberndes Lächeln. Oder ein schönes Gesicht, oder gut verteilte Proportionen, oder eine schöne Stimme, oder oder oder … Warum sollte so etwas Positives nicht jemand anderes auch von mir denken? Ich habe mich diese Frage so oft gefragt, bis mir keine Antwort mehr einfiel.

Und dieser Punkt war der Beginn der Veränderung. Es gelang mir nicht mehr, noch mehr negative Dinge zu finden, sondern mir fielen positive ein.

„Hey, ich war schon immer hilfsbereit“. Aber für mich war das etwas Normales, nur bei anderen empfand ich das als etwas Besonderes. So langsam begriff ich, wie bescheuert das eigentlich alles war.

„Wer sich selbst nicht auf die rechte Art liebt, kann auch andere nicht lieben. Denn die rechte Liebe zu sich ist auch das natürliche Gutsein zu anderen. Selbstliebe ist also nicht Ichsucht, sondern Gutsein.“
Robert Musil

Abschließen mit der Vergangenheit

Meine Eltern können nichts dafür, dass sie so sind wie sie sind. Sie haben es vermutlich selbst nicht anders gelernt.

Doch sie konnten etwas dafür, dass sie nichts geändert haben. Ich habe es satt, dauernd Verständnis für sie haben zu müssen.

“Wenn ich mir vorstelle, wie sie sich einreden, wie böse und gemein ich bin, dann könnte ich ausrasten!”
“Schade, dass mir das Weinen so schwer fällt. Ich wette, ich würde mich besser fühlen, wenn ich diesen Part des Trauerns zulassen könnte.”
“Wenigstens meine Kinder haben eine Mutter, die für sie da ist und sie liebt. Sie fühlen sich sicher und stark. Das ist das Wichtigste.”
“Oh Mann, wer keine Eltern hat, der kann nie mal eben nach ihnen rufen oder sie um Rat bitten oder mit ihnen über alte Geschichten lachen. Das ist sehr schmerzhaft.”
(Quelle: Freiwillig verwaist)

Neuanfang

Seit ich weiß, warum ich mich so fühle, warum ich esse, geht es mir besser. Ich habe etwas greifbares, an dem ich arbeiten kann. Etwas, das ich verändern kann.

Ich habe eine Entscheidung getroffen.

Dies ist mein Leben. Und ich werde es gestalten, wie ich das möchte. Und wenn es bedeutet, dass einige Menschen keinen Platz mehr haben in meinem Leben, dann ist das so. Es ist mein Leben. Meins.

Jetzt, wo der Panzer im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr so dick ist, fühle ich mich wieder verletzbarer, angreifbarer. Es ist also noch lange nicht einfach. Aber das ist noch lange kein Grund, wieder rückfällig zu werden.

Und wenn, dann gibt es jetzt eben so viel Creme Double, wie ich essen kann … 🙂

Was ich Dir mitgeben möchte …

Es fiel mir ganz und gar nicht leicht, das alles aufzuschreiben. Wenn ich mir überlege, wer das alles lesen könnte … Kunden, Kollegen, Chefs … Was die jetzt wohl denken mögen?

Und vielleicht ist der Text auch noch etwas wirr und ich muss ihn später noch einmal sortieren. Aber es war mir wichtig, all das endlich einmal aufzuschreiben.

Etwas aufzuschreiben und anderen mitzuteilen ist ein guter Weg, mit etwas abzuschließen.

Während man schreibt, lässt man Situationen noch einmal Revue passieren, überlegt noch einmal, ob man das wirklich so schreiben möchte. Überlegt noch einmal, was man eigentlich sagen will. Dabei verändert sich das Denken.

Dabei verändert man sich selbst.

Nicht umsonst heißt es „sich etwas von der Seele schreiben“. Vielleicht probierst Du das ja auch einmal?

Ich möchte Dich wissen lassen, dass Du nicht allein bist mit Deinen Problemen. So viele andere Menschen da draußen fühlen wie Du oder ich. Wir können uns gegenseitig helfen.

Stelle Dich Deiner Angst, Deinen Gedanken, Deiner Furcht. Wie Petra zu mir sagte: „Sei Dir selbst Deine beste Freundin!“

Hast du dich verändert? Es ist möglich, wir alle tun das. Aber lass nicht zu, dass du diesen Pfad der Traurigkeit beschreitest, noch dass du deinen Lebenswillen verlierst. Du wirst dich wieder lieben lernen. Du bist der Architekt deines eigenen Lebens und der Baumeister deines Glücks. (gedankenwelt.de)

Ich habe auf meinem Weg bis hierher jede Menge Fehler gemacht, ich bin weit weg von perfekt. Das gilt für alles im Leben, auch um unser Thema hier, die Ernährung. Manchmal esse ich zu einseitig, manchmal zu viel, manchmal zu wenig. Aber das ist nicht mehr schlimm.

Da ich jetzt esse, weil ich es möchte und mich danach gut fühle. Nicht mehr, um mich schlecht zu fühlen.

Das ist ein langer Weg, und er ist auch für mich noch nicht zu Ende.

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Karen Wiltner
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